Howling For The Highway Home


























































Man mag einen großen Schreck bekommen, wenn man den Titel dieses Albums liest. Ein weiteres Werk, das Trucker-Romantik zelebriert und sich in unangenehmen Redneck-Heimatvereinsfantasien ergeht? Das ungute Gefühl, das auch durch die Coverabbildung eines Pick-ups vor einem nationalbeflaggten Highway-Drive-In nicht gemildert wird, tut dem epischen Werk, das im Wesentlichen Knast-, Trunkenbold- und Outcastballaden versammelt, allerdings erheblich Unrecht. Stamp war Sänger und Gitarrist der britischen Kultband Third World War, die zu Beginn der 70er Jahre aus einem umsturzbereiten Working-Class-Bewusstsein heraus mit einer seltenen energetischen Aggressivität auf den Blümchen von Peace und Happiness herumtrat. Der Punk avant la lettre, den die laute radikalkommunistische Band auf ihren beiden Platten spielte, wurde des öfteren als britisches Pendant zu den MC 5 der »Kick Out The Jams«-Ära betrachtet. Nach dem Band-Split und einem Soloalbum (»Fatsticks«, 1975) zog der Ex-Fernfahrer Stamp nach Los Angeles, wo er nur noch zu seinem Privatvergnügen Songs aufnahm. Einige von ihnen sind jetzt in Neueinspielungen zu hören. Denn zu den Fans von Third World War zählte neben John Lydon, Joe Strummer, Henry Rollins und Steve Albini auch der Museumsvorsteher und Gelegenheitsmusiker Alistair Murphy.

Der suchte den Kontakt zum mittlerweile über 60-Jährigen und überredete Stamp zum von ihm produzierten Comeback (»Bootlace Johnnie And The Ninety-Nines«, 2005). Murphy zeichnet auch zwei Jahre später für Produktion sowie Arrangements verantwortlich. Daneben spielt er auf den zwölf Stamp-Stücken, an deren vier der ehemalige Third-World-War-Bassist Jim Avery mitkomponierte, Gitarre und Keyboards. Mag man auch einschränken müssen, dass »Howling For The Highway Home« mit weniger Stilsicherheit arrangiert ist als das Spätwerk Johnny Cashs, weil ein unschön glatter E-Bass – wie ihn manche vom »Climate Of Hunter«-Album Scott Walkers in schlechter Erinnerung haben mögen – gelegentlich die staubige Americana-Atmosphäre stört und Saxofone nicht immer mit der im Downtempo-Country-Pop gebotenen Vorsicht eingesetzt wurden, so bleibt dennoch zu betonen: Stamp verfügt ähnlich wie Cash und der »britische Elvis« P.J. Proby über eine unglaublich charismatische »voice with a grain«, in der der Zeitzahn in Gestalt sedimentierter schlechter Erfahrungen deutliche Abdrücke hinterlassen hat. Dieser Sprechgesang, mit dem Stamp den Blues des weißen Mannes singt, droht zwar manchmal ins Tragikomische zu kippen, wenn er allzu weinerlich und alkoholikerdepressiv greint und dabei mehr als nur knapp neben dem designierten Ton liegt.

Dankenswerterweise bleiben diese Fälle, in denen der große Erzähler Stamp eher nach Joe Cocker als Tom Waits oder spätem, von Rick Rubin veredeltem Neil Diamond klingt, aber Ausnahmen. Sie vermögen den durch lauter letzte Stücke wie das sublime und todtraurige »Voltaire Blues« oder die Lost-Love-Ballade »Rosalinda« – die man sich gut auf Nick Caves »The Boatman’s Call«-Album vorstellen könnte – geschaffenen positiven Gesamteindruck nicht nachhaltig zu trüben. Mit gooseflesh muss gerechnet werden beim Hören dieser vergänglichkeitsbewussten, doch nie unversöhnten Stücke. Und wer – zu Recht – den mit Hilfe Rick Rubins durch die Johnny-Cash-Maschine gezogenen und solchermaßen mit Alterspatina und brüchigem Weisheitsüberzug versehenen Stücken aus der Musikgeschichte applaudierte, welche die Alben »Solitary Man« und »The Man Comes Around« versammeln, benötigt dringlich das Album Terry Stamps.

Thomas Hübener


Der König ist tot, es lebe der König


Terry Stamp, der bereits in den frühen Siebzigern als Mitglied der britischen Formation Third World War Musikgeschichte schrieb, indem er mit wütend sozialkritischem Workin-Class-Rock stark den Seventieseven Punk beeinflusste, veröffentlicht unter Mithilfe des Third World War- Bassisten Jim Avery und Produzent/Mitmusiker Alistair Murphy sein zweites Album als Solokünstler.

Mag man ob des Titels Howling For The Highway Home oder des Covers vermuten, es könne sich um eine Hommage an Terry Stamps Ex-Truckerleben handeln, wird beim ersten Hören klar, dass hier jemand antritt, der ernsthaft versucht die Lücke zu schließen, die der Tod von Johnny Cash in die Countrylandschaft riss.

Mit etwas weniger Stilsicherheit als der späte Cash aber mit wundervoll stimmmorbider Intensität à la Tom Waits oder Nick Cave, besingt der seit 1975 in Los Angeles lebende Künstler von vergangener Liebe mit “Mexican Touch“ wie in Rosalinda oder von trunksüchtigen Arbeitern, die wie schon immer, zur Weihnachtszeit in Florida die Hurricaneschäden beseitigen und dabei nur arbeiten, trinken, weiterziehen, trinken, arbeiten, trinken und auf den Ladeflächen ihrer Pick-Ups nächtigen, Immortals.

Vergangenes und vergängliches, Leben und Leid, der Kreislauf des Immerwiederkehrenden, Gefängnis sowie Outcastballaden beschweren die Gedanken des Hörers und verlangen stringent den sofortigen Rotweinrausch.

Ein großer Geschichtenerzähler ist Terry Stamp, einer der mitreißt und fesselt.

Nicht zu empfehlen übrigens für suizidgefährdete Vollblutalkoholiker, die von Howling For The Highway Home nicht gerade mit hoffnungsvollen Zukunftsaussichten zugeschüttet werden - und werden sie auch nicht zum Exitus anghalten so verdeutlicht Stampdoch die Unausweichlickeit vor den Dingen, die da kommen werden. Ancient History Now.
Ganz einfach weil es schon immer so war und immer so sein wird.

Einziger Wehmutstropfen sind die recht unglücklich eingefügten Saxophonpassagen wie zum Beispiel in If You Owe You Will Pay, aber das ist letztlich Geschmackssache. Das erklärte Vorbild von Musikern wie Joe Strummer, John Lydon oder Steve Albini meldet sich eindrucksvoll mit dem zweiten Longplayer bei der internationalen Indi-Countryszene an und schenkt ihr ein Album, das in keiner CD-Sammlung fehlen darf, wenn sich dort schon Alben wie Nick CavesThe Boatman`s Call oder Johnny Cashs Solitary Man-Reihe finden.

Autor: Björn Preußer


Rolling Stone - Editor’s Choice

Arne Willander:

1. Lloyd Cole & The Commotions: "Live At The BBC Vol. 1 & 2"
2. John Phillips: "Jack Of Diamonds"
3. Mr. Hudson & The Library: "A Tale Of Two Cities"
4. Tindersticks: "BBC Sessions"
5. The Coral: "Roots & Echoes"
6. R.E.M.: "Monster"
7. Joe Henry: "Civilians"
8. Steve Earle: "Washington Square Serenade"
9. Terry Stamp: "Howling For The Highway Home"
10. Thurston Moore: "Trees Outside The Academy"

http://forum.rollingstone.de/showthread.php?p=1257787

 








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